Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mich verhört. Nicole Doss sagte gerade: „Mit Sport hatte ich gar nichts im Sinn“. Was? Nicole und kein Sport? Unglaublich! Die 39jährige schaute mich an, als könne sie es selbst nicht glauben. Allerdings, in dem Moment, als sie das erzählte, sprachen wir über ihre Kindheit in Nordleda. „Sport, nee, ich war ein dickes Kind“, Nicole lachte. „Na ja, mollig“. Zwei oder drei Jahre opferte sie ihre Freizeit dem Jugend-Rot-Kreuz. „Da war ich so zehn oder elf Jahre alt“. Ansonsten „hing sie lieber im Dorf rum“, fand shoppen in Otterndorf oder Cuxhaven Bewegung genug. 

Nach der Schule in Otterndorf begann Nicole dort mit 16 Jahren ihre Lehre als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Ihren Bewegungsdrang reagierte sie am Wochenende bei Jansen oder Bensen ab und verbrachte ansonsten ihre Zeit „bei normalen Jungmädchenunternehmungen“. 

Noch änderte sich nicht viel – sportlich betrachtet - als Nicole mit 22 Jahren ihren Mann Michael kennenlernte und zu ihm nach Nordholz zog. Als dann Tochter Alina zwei Jahre alt wurde, hörte Nicole vom Kinderturnen bei der TSG Nordholz. „Ich trat in den Verein ein, war aber immer noch ‚nur Mama‘, hatte keinerlei Bedürfnis, selbst Sport zu betreiben.“ 

Alina war sechs Jahre alt, als „Mama“ mit Freundinnen zur Donnerstagsgruppe Aerobic ging. 

Jetzt nahm das Schicksal endgültig seinen Lauf. Karin Knaak, die Übungsleiterin der Gruppe, hörte auf, Susanne Redelfs übernahm. Da Susanne damals keine Zeit hatte, den Übungsleiter mit C-Lizenz zu machen, ließ sich Nicole dazu überreden. Die Ausbildung in Wremen und Buchholz bot noch Zeit, mit Sportlerinnen der TSG an einem „LaGYM Schnupperkurs“ teilzunehmen. Man ahnt es schon. Marlies Töllner rannte offene Türen ein, als sie Nicole vorschlug, zusätzlich die Ausbildung als LaGYM Instructor zu machen. Natürlich erklärte mir Nicole ganz bescheiden, dass sie das im Grunde nur gemacht hat, weil die Ausbildung in der Nähe, in Odisheim, stattfand.  Nach den bestandenen Prüfungen stellte sich Nicole sofort für diese Sportangebote der TSG Nordholz zur Verfügung.  Im Wechsel mit Susanne bietet die Bürovorsteherin in einer Rechtsanwaltkanzlei donnerstags in der Schulturnhalle Nordholz Aerobic, dann aber Stepp-Aerobic, an. Dienstag ist das Fitness-Tanz-Programm LaGYM an der Reihe. Jede dritte Woche treibt stattdessen die Trendsportart Aroha den Schweiß auf die Stirnen aller Teilnehmerinnen. Denn diese Ausbildung hat Nicole auch „mal eben“ absolviert. „Ich wollte gerne noch etwas anderes anbieten. Außerdem gehe ich gerne auf Lehrgänge, weil man ja nie auslernt und immer neues Wissen hinzukommt, das ich für andere und für mich anwenden kann“

Mir wurde beim Mitschreiben schon ganz heiß. „Was sagt denn deine Familie dazu, dass du so oft unterwegs bist“, wollte ich wissen. „Meine Familie steht voll hinter mir. Mein Mann und meine Tochter treiben selber gerne Sport. Alina ist sehr selbstständig, ich kann mich auf sie verlassen. Michael findet es gut, er ist absolut tolerant“. Nicole lächelt mich an, „du glaubst gar nicht, was für tolle Gruppen ich habe. Wieviel Spaß wir haben. Und ich liebe es ganz einfach, mit ihnen Sport nach Musik zu machen. Ich liebe die Kameradschaft, die hier herrscht. Wir haben keine Cliquenwirtschaft, wir verstehen uns wirklich“. Der Ton in Nicoles Stimme lässt erkennen, dass sie nicht übertreibt, nichts schönredet. Dass Nicole außerdem noch „Jumping-Fitness“ anbietet, gemeinsam mit Marion Struß das Eltern-Kind-Turnen und das Kinderturnen übernommen hat, soll keine Randnotiz sein, erstaunt aber nicht weiter. „Das Turnen mit den Kindern ist ein wunderbarer Ausgleich. Allerdings bin ich immer wieder ein bisschen traurig, wenn uns so ein Pöks verlässt“.

Neben dem Sport in der TSG Nordholz, geht Nicole auch noch ins Fitness-Center. „Ich glaube bald selbst, ich bin süchtig nach Bewegung“, unruhig vom langen Sitzen rauft sie sich schon die Haare. Aber wir sind noch nicht fertig, denn sie soll noch erzählen, was sie sonst so „treibt“- außer Hausarbeit, Familie und Freunde. Erstaunlich, dafür ist auch noch Zeit! 

Anders als beim Spinning, wo sie total die Kopfarbeit ausschalten kann, ist bei den Vorbereitungen ihrer Angebote absolute Konzentration erforderlich. „Einen Tag vorher überlege ich mir verschiedene Choreografien, zähle die Takte aus, habe die Reihenfolge der Lieder im Kopf.“ Das ist längst nicht alles, denn alle Abfolgen der Angebote tanzt sie vorher durch. Bei LaGYM sind es 19 Lieder, nach deren Rhythmus sie sich schon vorher bewegt. Aber sie findet das „einfach toll“, denn sie fühlt sich vitaler, die Laune steigert sich. „Wenn ich manchmal nach einem stressigen Arbeitstag in die Turnhalle schlurfe, weil ich kaputt bin, dann ist das sofort vergessen, sobald ich umgeben von den Teilnehmerinnen in der Halle stehe, mein Headset aufhabe und die Musik angeht. Dann gehe ich später, noch immer kaputt, aber super gut gelaunt nach Hause“. 

Elfie