Sven Clemenz

„Als Nicole Müller mich 2011 fragte, ob ich, da sie nach England gehen würde, die gut aufgestellte Ju-Jutsu-Abteilung der TSG-Nordholz übernehmen wolle, war ich sofort einverstanden“. Für Sven Clemenz ist Ju-Jutsu nicht nur ein gern praktiziertes Hobby, sondern war Teil seiner Ausbildung als Kontroll- u. Vollzugsbeamter im Zollwesen und der Sport verlangt noch heute ständige Fortbildung.

Der auf der Insel Amrum geborene, in Cuxhaven aufgewachsene 52-jährige, lebt mit seiner Frau Kerrin seit 1999 in Nordholz. Davor nutzte er, damals 24 Jahre alt, die Zeit in Hamburg, um seine Ju Jutsu Kenntnisse beim Polizei Sportverein zu vertiefen. „Bei den Behörden werden nur einzelne Techniken trainiert, aber ich wollte ALLES, ALLES lernen und können. Der Ju-Jutsuka ist der 10-Kämpfer des Kampfsportes“, erklärt Sven, sprühend vor Überzeugung. „Hier wird alles abgedeckt, wie zum Beispiel Boxen, Hebeltechnik, Werfen, Waffenabwehr, Schläge und Tritte“. Als ich das höre, bekomme ich doch ein bisschen „Angst“ um Kerrin, weil Sven kurz vorher erzählte, dass seine Frau hin und wieder im Garten für Vorbereitungen zum Unterricht herhalten muss.  Dafür „entschädigt“ ihr gemeinsames Hobby: Motorradfahren. Bis zum Gardasee sind sie schon auf ihren Maschinen „geknattert“.

In Cuxhaven war Sven bereits als Ju Jutsu Lehrer tätig. Er unterrichtete beim Sportverein Rot/Weiß Cuxhaven ebenfalls die Kinder. In Nordholz übernahm er dann 25 Kinder und Jugendliche. Heute gehören 43 Kinder und Jugendliche sowie 31 Erwachsene der Abteilung an. Eine Erfolgsgeschichte, das kann man sagen. Aber Sven besteht energisch darauf, dass diese Bilanz nicht ihm alleine zu verdanken ist. „Der Erfolg hat viele Väter“ ist seine Devise und zu diesen „Vätern“ gehören unbedingt seine Co-Trainer Peter Paswerg und seit einigen Monaten Bernd Kunze. Peter, der jetzt stolz den schwarzen Gürtel trägt (1. DAN - japanisch: Rang, Stufe) trainiert die Kinder von 6 bis 9 Jahre und die Anfänger Erwachsene. Bernd, 5. DAN, ist besonders für die Ausbildung der Erwachsenen qualifiziert und Sven als Abteilungsleiter (2. DAN) hält alles zusammen, ist dort, wo er gebraucht wird. Natürlich führt er auch eine Gruppe, nämlich die 10- bis 14-jährigen.

„Für die Vorbereitungen zum Unterricht brauche ich nicht allzu lange. Ungefähr eine Stunde mache ich mir Gedanken und eventuell Notizen, was wir trainieren werden. Liegen allerdings Prüfungen an, denn beschäftige ich mich intensiv mit den geforderten Inhalten dieser Prüfungen“.

Immerhin ist es ein weiter Weg bis zum 1. DAN.

Sechs Schülergrade, erkennbar an den verschieden farbigen Gürteln, gilt es zu durchlaufen, bevor man mit frühestens 18 Jahren den schwarzen Gürtel – den Meister - erwerben kann. Ab dem 1. DAN sind die Gürtel nur noch schwarz. „Seit einiger Zeit geht man aber dazu über, die Anzahl der erkämpften DAN durch Striche auf dem Gürtel zu kennzeichnen“, erklärt mir Sven. Weiter fügt er an: „es gibt 10 DAN Grade, davon kann man 5 durch Prüfungen erreichen, die restlichen werden für besondere Leistungen von einem Gremium verliehen.“ Im Übrigen kann man im Internet viel Interessantes über die DAN nachlesen. Ich höre von Sven noch, dass der Unterschied zwischen den verschiedenen Stufen im Handlungskomplex immer umfangreicher werden, zum Beispiel Kämpfe gegen mehrere Gegner.

Die Trainerlizenz C Ju Jutsu, eine ganz besondere Qualifikation, hat der Abteilungsleiter extra für die TSG Nordholz abgelegt. Für diese Berechtigung hat Sven 8 Wochenenden in Hannover verbracht und sie muss durch regelmäßige Lehrgänge immer wieder bestätigt werden.

Bei Ju Jutsu ist das Thema „Sexualität im Sport“ verständlicher Weise besonders heikel. Es ist ein Sport „mit Anfassen“, eine sogenannte Kontaktsportart. Im Rahmen der Lehreinweisung zum Schwarzgürtel wird die Problematik bereits behandelt, „aber“, so Sven, „bei der C-Lizenz ist es ein umfangreiches Thema. Berührungen entsprechender Zonen versuchen wir weitestgehend zu vermeiden und nur anzudeuten.“ Es ist ein schmaler Grad, weiß Sven und so liegt sein Augenmerk und das der Co-Trainer immer wieder auf der korrekten Durchführung der Übungen. Außerdem wird das Thema auch im Training öfter einmal angesprochen.

„Das Kämpfen“, erwidert Sven spontan auf meine Frage, was ihm am Ju Jutsu am besten gefällt. Er lacht, weil ich ein bisschen skeptisch gucke, denn ich habe in Wikipedia gelesen, das Ju „nachgeben oder ausweichen, wörtlich: „sanft“ bedeutet und Jutsu „Kunst“ oder „Kunstgriff“. Hört sich ja nicht besonders „kriegerisch“ an. Aber da erklärt Sven auch schon: „Es kommt darauf an, wie du kämpfen interpretierst. Einfach zuhauen, verletzen wollen, das ist nicht der Sinn dieser Sportart. Ju Jutsu vermittelt Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, denn die Opferrolle wird abgelegt. Du weißt, du kannst dich wehren, wenn es sein muss. Aber deine Geisteshaltung wird geprägt von Respekt vor den anderen. Du gewinnst den Kampf nicht durch Kraft – trotzdem diese natürlich nicht schadet – sondern durch Technik. Nicht zuletzt verhilft das Training zu einer einzigartigen Fitness, denn jedes Körperteil ist in Bewegung“. Aha, denke ich, dumm, dass ich nicht schon früher davon gewusst habe.....

Wie bei sicher jeder Abteilung in unserem Verein, kommt auch bei den Ju-Jutsuka die Geselligkeit nicht zu kurz. Es gibt ein Grillfest, gemütliche Beisammensein und Kinobesuch mit den Kindern. „Was aber diese Abteilung außerdem zusammenschweißt, ist die gemeinsame Teilnahme, also Schüler und Trainer, an verschiedenen Lehrgängen außerhalb des Trainings im Verein“. Sven schaut mich zufrieden an. „Ach, übrigens, vielleicht kannst du noch erwähnen, dass Ju Jutsu für Mädchen immer attraktiver wird. Bei den Kindern und Jugendlichen ist das Verhältnis zu den Jungen fast ausgeglichen. Bei den Erwachsenen überwiegen aber noch die Männer“.                                Elfie